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Porzellanwerk Colditz

Der März 2005 bedachte uns noch mit einigem Frost und Schnee, konnte uns aber nicht an einer längeren Fahrt quer durch die Gegend zwischen Grimma und Chemnitz hindern. Dort kamen wir unter anderem an einem der größten Porzellanwerke der DDR vorbei, dem VEB Colditz Porzellan - einem Traditionsbetrieb dessen ästhetische und praktische Erzeugnisse wie das landesweit bekannte Mitropa-Geschirr der Serie "rationell" mehrere hohe Auszeichnungen auf der Leipziger Messe erhielten und in vielen Haushalten noch heute zu finden sind.

Schon von weitem fiel uns das markante Hauptgebäude mit dem Namenszug des Betriebes auf. Das Tor stand offen und schien sich schon seit langer Zeit nicht mehr bewegt zu haben. Auf dem mehrere Hektar großem Areal des Betriebes war zunächst keine Menschenseele anzutreffen. Im hinteren Teil hatten sich einige kleinere Firmen etabliert, welche sich aber nicht mit keramischen Produkten beschäftigten. Nach unserer Reise telefonierte ich mit einem Nachbarbetrieb und bekam so die Telefonnummer des Objektverwalters des Porzellanwerkes. Der ältere Herr am Telefon machte einen sehr freundlichen Eindruck und erklärte sich zu einem kurzfristigen Treffen in Halle/Lettin, wo sich ein ehemaliger Zweigbetrieb des Werkes befand, bereit. Da ich in Lettin wohne, war dies für uns sehr günstig. Bei dem Treffen klärten wir unser Anliegen und er versprach, noch einmal mit geschärften Sinnen durch sein verlassenes Reich zu gehen und speziell nach Technik, welche uns interessieren könnte, Ausschau zu halten. Einige Wochen später bekamen wir eine Einladung nach Colditz. Draußen war es nicht viel wärmer geworden als bei unserem ersten Besuch und die feuchte Kälte in den Produktionshallen, welche beim großen Hochwasser 2002 fast einen Meter unter Wasser standen (das Werk lag direkt am Muldeufer), setzte uns stark zu. An einigen Stellen waren ganze Räume verschimmelt oder es schälte sich über einem schmatzend ein Stück nassen Putzes von der Decke, als sei es ein Scheuerlappen. Interessante Technik hatte Colditz aber durchaus zu bieten. Der Verwalter scheute keine Mühen und führte uns stundenlang in fast jeden Raum des Werkes, sodass wir einen recht umfangreichen Einblick in die Produktionsschritte der Keramik erhielten. An einigen Stellen standen noch große Maschinen, bereits ausgebaute Aggregate, halbabgerissene Ofenlinien oder riesige Stapel von Transportkisten, die die einstigen Herstellungsmengen des Werkes nur erahnen ließen. In einem Büroraum, der nur umständlich über Leitern und das Dach zu erreichen war, da die Türen vernagelt werden mussten, fanden sich drei komplette A5110 Computer, in einer anderen Halle noch weitere. Abgesehen vom Transportaufwand wären diese Rechner zu diesem Zeitpunkt wohl durchaus noch zu retten gewesen, zumal recht selten, doch fehlte uns für derart umfangreiche Technik einfach der Raum. Im Bürogebäude waren in einer fensterlosen Kammer noch ein Bürocomputer EC1834, ein A7150, eine Schreibmaschine Erika 3004 sowie diverse Bürotechnik eingeschlossen. Im alten Kraftwerk stand ein Analysecomputer für Feuerungsanlagen auf U880-Basis, hergestellt von FORON. In einem chemischen Labor fand sich ein Tischrechner robotron K1002 samt einiger Magnetstreifenkarten und im Automatisierungstechnik-Labor noch mehr: Ein Eigenbausystem auf U880-Basis, vermutlich zur Programmierung eines eigens im Werk entwickelten Roboters, der die zentnerschweren Tonblöcke auf ein Fördersystem zu legen hatte (und der, zwar flutgeschädigt aber vollständig noch vorhanden war - auf einem der Fotos sieht man die Hochwassermarke an den Steuerschränken), ein defekter Computer MC80, diverse Messgeräte und einige Elektronik-Literatur. Wir kriegten zweimal den Kofferraum ziemlich voll.

Einiges der Technik musste erst durch die verbliebenen Manager des Werkes freigegeben werden, sodass wir nur recht wenig von unserer ersten Tour mit nach hause nahmen und im Sommer den Rest holen durften. Wieder zeigte sich Herr Schulze sehr freundlich und die Atmosphäre in dem Gebäude hatte sich durch zunehmende Trockenheit und Erwärmung deutlich gebessert. Mittlerweile hatten Unbekannte auch die (vermutlich selbstentwickelten) Ziffernschlösser (U880) an den Türen der MSR-Werkstatt zerstört und wir mussten die Krümel mühsam zusammensammeln. Die anderen Rechner sollten keinen Retter mehr finden und knapp zwei Monate später begann der Abriss der gesamten Bebauung, welcher sich einige Zeit hinziehen sollte. Der Wächter des Werkes mit seinem treuen Hund wird nun wohl anderen Aufgaben nachgehen oder seinen Garten pflegen und in einer nicht so fernen Zukunft werden sich nur noch wenige der wichtigsten und größten Arbeitsstätte der Stadt erinnern. Die Bahnverbindung ist auch schon gekappt worden - nur per Bus kommt man noch nach Colditz.

Bilder von Colditz