Fährt man mit dem Zug durch Schönebeck, erschien auf der rechten Seite, wenn man Richtung Magdeburg fährt, vor dem Bahnhof ein großer Industriebetrieb. Es handelte sich um den VEB Dieselmotorenwerk Schönebeck in der Barbarastraße. Dieses Werk, welches in etwa die Ausdehnung des Heizkesselwerkes besitzt, stellte zu DDR-Zeiten Motoren wie den 6VD-14,5/12SWR her, welche in vielen bekannten LKW wie dem L60, W50 oder auch in Passagierflussbooten oder Notstromerzeugern zum Einsatz kamen.
Wir besichtigten den stillgelegten Betrieb in den Jahren 1998 und 99. Ein Großteil der Produktionshallen war leer, in einer standen auf Paletten noch ein paar Stanzen und man lief durch den zentimetertiefen Dreck der Schweißstände. Interessant war, dass man sich die ganzen Stellen der Bearbeitung anschauen konnte, also auch die Härterei, Prüfstände, Lackiererei, Konstruktion...
In dem Gebäude mit den Prüfständen waren von diesen noch die Bedienkonsolen da, damals stand noch an jedem Stand ein PBT4000 Terminal. Es gab zwei Arten von Prüfständen - die, wo viele Motoren nebeneinander liefen und die, wo immer nur einer genau analysiert werden konnte.
Neben den Prüfständen war eine MSR-Werkstatt, wo noch das ein oder andere interessante Pausen-Bastelobjekt in den Schreibtischen lag, etwa eine Melodieklingel auf U880 Basis. In den Schränken lagen noch die technischen Zeichnungen und Kaffeetassen, als wären die Menschen erst am Vortag gegangen. Die Wandkalender zeigten aber 1994. Hätten wir schon geahnt, dass eine Etage drüber eine vollständige Rechenstation auf Basis KRS 4201 stand, hätten wir sicherlich einige astronomische Logistikprobleme zu lösen gehabt...
Die Hallen und das Gebäude mit den Prüfständen und der Rechenstation wurden 2006 abgerissen.
Das Gelände teilt sich auf in einen stillgelegten und einen noch genutzten Teil. Im stillgelegten sticht ein 5-geschossiger quadratischer Neubauwürfel hervor. In diesem befand sich früher die Konstruktion und Technologie sowie eine kleine Bibliothek. Spätere Besucher hinterließen Nachrichten auf einem verbliebenen Reiss-Brett in der oberen Etage. Ein zerlegter EC1834 zeugte vom einstigen Rechnereinsatz. Im Obergeschoss der einstigen Mensa, welche schon Mitte der 90er stark vom Hausschwamm befallen war, stand ein Paralleldrucker Videoton VT27190 (430 Kg!), der scheinbar nie zum Einsatz gekommen ist. Wir vermuten, da solche Geräte normalerweise in der Nähe von Kleinrechnern und Konstruktionsarbeitsplätzen auftauchen, dass im Werk Digitalisier-/ Konstruktionsarbeitsplätze installiert waren, entweder auf K1520-Basis oder mit einer K1600 Konfiguration. In einem Büro nahe der Härterei stand ein Organisationsautomat aus den 70ern. Außer Farbe, die von der Decke geblättert war, schien er noch unbeschädigt zu sein. In einer Werkstatt, der die Außenwand fehlte und in der Spuren eines Radladers zu finden waren, lag unter einem zerbrochenen Schrank ein Computer MC80 und ein defekter Blitzgenerator.
Anfang 2006 fragte ein Hobbykollege nach einer Quelle für Module des Rechnersystems PBT 4000. Wir nannten ihm die Prüfstände der DMS und verwiesen darauf, dass wir dort früher entsprechende Geräte angetroffen hatten. Nun, er hatte kein Glück - bei seinem Besuch zeigte sich, dass ein Großteil der Gebäude mittlerweile nicht nur besenrein sondern regelrecht entkernt war. Seiner guten Nase in solchen Dingen folgend fand er durch lose EPROMs den Weg in die Etage über den Prüfständen und hinter einer dicken Stahltür, die scheinbar erst kürzlich aus dem Rahmen gerissen worden war, und vor der wir vor Jahren umgekehrt waren), die Rechenstation.
Bis auf eine Stelle war auch das Dach noch intakt, sodass die Technik in fast dem selben Zustand war, wie 1994, als sie einfach ausgeschaltet worden war. (Das Papier in den Druckern wies dieses Datum aus).
Bei der Gerätetechnik handelte es sich um:
eine Prozessdatenverarbeitungsanlage URSADAT 4000 (mehrere Schränke zu
je ca. 400 Kg), eine Kleinrechneranlage robotron PRS 4201 (PRS =
Prozessrechnersystem). weiterhin standen noch die Bediendrucker, die
Lochbandgeräte, Drucker, einige Messmittel, der Wechselplatten- und der
Magnetbandturm und ein etwas feucht gewordenes Terminal PBT 4000 dort.
Die ganze Anlage wurde dokumentiert, es wurde Kontakt zu den Besitzern des Gebäudes und zu den Leuten geknüpft, die die Anlage dort Ende der 70er installiert hatten. In mehreren schweißtreibenden Aktionen konnte die Technik abgebaut und zur Deponierung in die Räume des Unternehmens gebracht werden, der Leute, die sie aufgebaut hatten. Besonderer Dank galt bei den gesamten Arbeiten Rüdiger Kurth der weder Mühen noch Kosten scheute, die Technik vor dem Abriss der Gebäude, welcher unmittelbar bevorstand, zu retten.
Nebenbei wurde der daro Organisationsautomat gerettet.
weitere Infos und eine sehr ausführliche Beschreibung der Aktion auf www.robotrontechnik.de
Bilder von DMS Schönebeck