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DVZ Halle

Auf Spurensuche im ehemaligen Datenverarbeitungszentrum Halle

Am 1. Januar 2003 zog die DVZ Halle GmbH in ein neues Gebäude. Das alte Datenverarbeitungszentrum in Halle Neustadt, von dem noch das weithin sichtbare Bürogebäude steht, verfällt und wird von Vandalen und Buntmetalldieben heimgesucht. Besitzer der Immobilie ist eine Holding aus dem Raum Stuttgart - die den baldigen Abriss plant. 1969 wurde ein Gebäudekomplex für den VEB maschinelles Rechnen Halle geplant. Drei Jahre darauf begannen die Bautätigkeiten im noch sehr jungen Halle Neustadt. Hinter dem Hauptgebäude, das in Plattenbauweise ausgeführt wurde, standen die beiden spiegelbildlichen Flachbauten für die Rechenanlagen. Sie waren quadratisch, außen mit Büros und Nebenräumen, ein umlaufender Gang und in der Mitte die in zwei Teile gegliederten Maschinenräume.

Als Rechner vor 1990 waren im Einsatz:
R300 (ab 1971), R21 (ab 1974), EC 1040 (ab1976), EC 1050 (ab 1978) und in den 80-er Jahren EC 1055, EC 1035 und EC 1056 und kurz vor der Wende RVS K1840.

Verbunden wurden alle Gebäude durch einen Flachbau, in dem die Telefonanlage, die Klimatisierung und der Speisesaal samt Küche untergebracht war.

Die Gebäude waren für ihre Zeit sehr modern ausgestattet und stellten helle, zentralbeheizte Arbeitsplätze mit moderner Kommunikationsinfrastruktur und einem phantastischen Blick über die Stadt bereit. 2004 konnte man in einem Schrank im Keller noch alle Bauunterlagen zu dem Projekt finden - von Grünanlagengestaltung, Kabelverlegeplänen, Innenraumbelegung, Ausschreibungen...

Bei unserem Besuch fand sich, ausgenommen einiger zertrümmerter West-Monitore und einem IFSS-Kabel kein Stück Elektronik mehr im Gebäude. Innerhalb eines Jahren sorgten dann auch Kabeldiebe dafür, dass in dem offenstehenden Gebäude von Keller bis zum Dach kein Zentimeter Kabel mehr zu finden war. In der Hausanschlussstation krochen sie sogar in die Schächte unter dem Kellerboden, um die armdicken Aluminiumkabel abzusägen. Einziger Trost ist, dass sie noch nicht mitgekriegt haben, dass Beton auch Stahl enthält...

Interessant waren die (mittlerweile zerstörten) Keramik-Reliefs im Haupttreppenhaus, die wichtige Entdeckungen oder Etappen der Wissenschaft illustrierten. Wir haben mal versucht, dies mit den dazugehörigen Texten (die man in Fragmenten im gesamten Treppenhaus zusammensammeln konnte), zu dokumentieren. In der Ruine herrschte ein derartiges Chaos, daß nicht mehr alle Texte gefunden werden konnten. Erst im Jahr 2015, 11 Jahre nach unserer Tour, bekamen wir von einem ehemaligen DVZ-Mitarbeiter die fehlenden Texte. Offensichtlich hatte er vor dem Umzug der Firma im alten Gebäude liebgewonnene Details fotografisch dokumentiert.

Nachdem das Objekt weiter verwahrloste und durch mehrere Brände (u.a. von einem Feuerwehrmann als "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" gelegt) in unterschiedlichen Etagen sichtbar beschädigt wurde, wurde es Mitte 2014 abgerissen und die Fläche planiert. Heute erkennt man nur mit geübtem Auge anhand einiger Zaunsegmente, Büsche und Bordsteinstücken, daß dort eines der markantesten Gebäude von Halle-Neustand gestanden hat. Das einzige "überlebende" Gebäude ist das südliche Maschinenhaus, welches in den 90ern saniert und von einer Firma genutzt wurde und aktuell noch wird.

Bilder vom DVZ

Die Reliefs im DVZ

Navigation und Astronomie

Der in der Mitte des Bilder knieende Seefahrer benutzt einen persischen ASTROLAB, eine Vorform des Sextanten. Beobachtung und Erfahrung der Alten bildeten die Grundlage, auf der die moderne Wissenschaft und Technik aufbaut. Konkavspiegel, Raketen und Fluglinien symbolisieren diesen im äußeren oberen Rahmen des Reliefs. Die mittelalterlichen Lehren, dass Engel die Planeten tragen, können sich nicht halten. Der Prediger auf der Kanzel in der rechten Bildseite redet ins Leere - hinter ihm stürzt ein Engel.

Noli turbare circulos meos (Störe nicht meine Kreise)

Zwischen Karthago und Rom herrschte Krieg und Syrakus, die Geburtsstadt von Archimedes, die während des 2. Punischen Kriegen an der Seite Karthagos gegen Rom kämpfte, konnte nach zweijähriger Belagerung durch die Römer eingenommen werden. Bei anschließenden Plünderungen kam der berühmte Archimedes ums Leben. Die Legende berichtet, dass Archimedes in Berechnungen vertieft in seinem Garten saß und geometrische Figuren in den Sand zeichnete, als ein versprengter römischer Soldat hinzutrat und Archimedes, die Situation verkennend, rief: "Störe mir nicht meine Kreise!" Daraufhin erschlug ihn der Römer. Diese Legende, in der Archimedes ums Leben kam, weil er über seine wissenschaftliche Arbeit den Alltag vergaß, ist beklemmend aktuell.

Von Ziffern und Zahlen

Schon die alten Kulturvölker besaßen große Kenntnisse in der Mathematik. Die Babylonier konnten den Inhalt eines Kreises berechnen. Dieses lässt die geometrische Zeichnung auf der Tonscherbe erkennen. Der römische Schafhirt zählt die Schafe. Darüber ist ein römischer Handabakus abgebildet, eine Rechenmaschine, die mancherorts heute noch im Gebrauch ist. Die linke Seite des aufgeklappten Buches ist Euklid gewidmet, der in einem Buch eine systematische Übersicht über den Umfang des mathematischen Wissens in der Antike niederlegte. Die rechte Seite des aufgeklappten Buches stellt den Sieg des Rechnens mit den arabischen Ziffern dar. Rechnen "nach Adam RIES" wurde in Schulen, im Handel und Gewerbe eine gebräuchliche Redewendung.

Die Verwandlung des Adam

Dieses Bild zeigt menschliche Figuren in Architekturgebilden verschiedener Stilepochen. Von der Erkenntnis ausgehend, dass der Mensch Maß aller Dinge sei, wurden seine Maße immer wieder in der Architektur zur Grundlage der Proportionen. Unterschiedlich sind die Motive für die Proportionalitätslehre und ihre Messverfahren.

Mystik und Magie der Zahlen

Dieses Bild ist in der Welt des 16. Jahrhunderts angesiedelt. Es zeigt den alten Faust in seiner Studierkammer. "Darum hat er sich der Magie ergeben, ob ihm durch Geistes Kraft und Mund nicht manch Geheimnis würde kund, dass er erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält." Mit Mephisto betrachtet er das Treiben der Hexe, die das Hexeneinmaleins spricht - zu ihren Füßen ein magisches Quadrat. Dann führt eine Treppe in die Stube eines Astrologen. Die Fenster drücken vier weitere Zahlenkombinationsmöglichkeiten innerhalb des Quadrates aus.

Triumph der Technik - oder Das Urteil des Paris

Um den Schmuckbaum herum, in dem Zeichen aus der Rechentechnik eingearbeitet sind, tanzen drei Grazien in der Absicht, einen Roboter zu bezirzen. Dieser hält einen roten Apfel in der Hand. Hier wird die Geschichte vom Urteil des Paris verballhornt, indem die Grazien als Kinder der Technik einen natürlichen Apfel begehrenswerter finden, als einen der sagenhaften Äpfel der Hesperiden.

Pythagoras von Samos

An dieser Stelle schrieben wir von 2004 bis 2015: "Der Text zu diesem Relief ging leider verloren. Ein vermutlich griechischer Gelehrter hantiert in einer Kammer mit geometrischen Figuren, während draußen eine Rinderherde vorbeizieht. An der rechten Wand steht eine vermutlich lateinische Inschrift."

Bedankenswerterweise konnte uns ein ehemaliger DVZ-Mitarbeiter die beiden fehlenden Texte zu diesem Relief für diese Seite zur Verfügung stellen:

Pythagoras von Samos (griechischer Philosoph und Mathematiker um 580 - 496 v. Chr.)

Ein Opfer hat Pythagoras geweiht, den Göttern die den Lichtstrahl ihm gesandt,
es taten kund geschlachtet und verbannt, einhundert Ochsen seine Dankbarkeit.
Die Ochsen seit dem Tage, wenn sie wittern, daß eine neue Wahrheit sich enthülle,
erheben ein unmenschliches Gebrüll. Pythagoras erfüllt sie mit Entsetzen
und machtlos sich dem Licht zu widersetzen, verschließen sie die Augen und erzittern.

PYTHAGORAS ERKLÄRTE DIE ZAHL ZUM URPRINZIP ALLER DINGE, ENTWICKELTE ANSÄTZE ZUR PHILOSOPHISCHEN KLÄRUNG DES PROBLEMS QUANTITÄT. BEGRÜNDER DER AKUSTIK.: KANNTE DIE IRRATIONALEN ZAHLEN.
PYTHAGOREISCHER LEHRSATZ: C²=A²+B²

Technische Unterlagen des DVZ

letzte Änderung: 01.04.2015 23:29