Mitte der 1990er waren wir im Alter von 14-16 Jahren. Die Zeiten, da man interessante Technik für die heimische Bastelei auf dem Sperrmüll vor der Haustür oder in "verdunstenden" Autowracks fand, neigten sich ihrem Ende. Es hatten sich bei jedem von uns schon ein kleiner Stapel DDR-Elektronik Zeitschriften wie "Funkamateur" und "Radio-Fernsehen-Elektronik" angesammelt. Staunend konnte man in den alten Messeberichten von Maschinen und neuen, hochgefeierten Technologien lesen. Die ersten Bürocomputer und Komponenten fanden sich und einige Geräte umgaben sich ebenso mit einer mystischen Aura wie die dahinter- stehenden Herstellerbetriebe, die aber nicht mehr anrufbar waren, da inzwischen liquidiert. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich den einen oder anderen Artikel gelesen hatte und wie wir die Hefte drehten um vielleicht hinter das Bild zu schauen. Kurz - die Gier nach neuen Informationen und Technik war astronomisch und das Wissen schmal. Als mein erster Bürocomputer A5120 lief, fing ich damals an, per Tabellenkalkulation Listen von Betrieben zu notieren - meist in der Hoffnung, dort noch Leute zu finden, die mir Informationen oder ggf. sogar noch das eine oder andere Stück alter Technik geben...
Das Messgerätewerk Magdeburg Buckau war recht lange so ein sagenumwobener Ort gewesen. Sehr häufig stießen wir bei Streifzügen durch Messwarten, Anlagen und Kesselhäuser auf Geräte aus diesem Werk. Ich hatte mehrfach vergeblich versucht, Kontakt zu dem Werk aufzunehmen und die Telefonauskunft gelöchert.
Als Schüler kann man in Sachsen Anhalt in den Sommerferien sich ein sogenanntes Schüler-Ferien-Ticket holen und in ganz SA mit Regionalzügen, Bussen und Straßenbahnen fahren. Das Ticket kostete seinerzeit noch 29,- DM, mittlerweile ca. 35,- EUR.
Im Jahre 1996 fuhren wir mehrfach Richtung Dessau und Magdeburg, um in diesen Städten nach Resten der Industrie zu suchen. Eines unserer ersten Ziele war das ehemalige Messgerätewerk "Erich Weinert" in Magdeburg Buckau. Das Hauptgebäude des Werkes ist bereits vom Bahnhof aus sichtbar.
In strömendem Regen fuhren wir im Sommer 1996 zu zweit nach Buckau, umrundeten das Areal und fanden ein offenes Tor. Der Eindruck, den das hohe graue Gebäude mit dem blauen Schriftzug auf dem Dach vermittelte, als ich es zum ersten Mal mit eigenen Augen sah war überwältigend. Obschon es schon damals recht verwahrlost aussah. glaubte ich doch hier einige Antworten und Einblicke in eine technische Welt zu erlangen, die mir bis dahin entweder nur aus Zeitschriften oder von den losen Fragmenten bekannt war, auf die wir so oft stießen.
Die Produktionshallen rochen stark nach Maschinenbau und hier und da zeugten neben Maschinenfundamenten noch Transportwagen und zurückgelassene Kleinteile vom Treiben, welches die Hallen einst mit Lärm erfüllt haben mochte. Wir hörten noch das rhythmische Tropfen des Regenwassers, welches sich seinen Weg ins Gebäude bahnte und ein paar Tauben. Etage für Etage stiegen wir im Treppenhaus höher, immer herum um den in schönem Holz getäfelten, nun ruhenden, Paternoster.
In einem Seitenflügel des Hauptgebäudes waren die Konstruktionsbüros untergebracht. In einem Raum stand ein Digitalisiergerät robotron K6401. Das Gerät hat als Kern einen K1520-Rechner im Fuß und eine Fläche von A0. Daneben stand ein SECOP Xerox-Kopiergerät hergestellt von den Secura-Werken Berlin. Beide Geräten kamen mit einem Gewicht zwischen 100 und 150 Kg daher. Drei Räume weiter lag ein K6200 Lochbandgerät, vermutlich standen hier einmal A51xx Bürocomputer.
In einem anderen Büro lagen robotron MOS 1520, die "maschinenorientierten Systemdokumentationen" des weitverbreiteten Mikrorechnersystems K1520, weitere Unterlagen zu Automatisierungsgeräten des MGW und ein scheinbar unbenutzter Mehrkanalschreiber PMM100. Wir fragten mehrmals bei der Treuhand Liegenschafts- Verwaltungsgesellschaft Magdeburg ganz konkret wegen dieser Geräte an (Die Treuhand verwaltete das Objekt der Messgerätewerk Magdeburg GmbH i.L), bekamen aber immer abweisende Antworten. Drei Jahre später, mittlerweile hatte irgendwer einen Teil der Hallen im Inneren des Areal angezündet, betraten wir wieder diese Büros und fanden sie besenrein vor. Die Technik war verschwunden.
Dem MGW verdanken wir eine Vielzahl an interessanten Mess- und Regelgeräten. Sehr bekannt sind der programmierbare Mehrkanal-Datenschreiber PMM 100 oder der Zeitplangeber RK 80.
Bilder vom MGW