In der DDR gab es eine Vielzahl unterschiedlicher Datenspeichermedien. Während ab Mitte der 70er die klassische Lochkarte zunehmend in den Hintergrund trat, Lochbänder aber auch weiterhin eine wichtige Rolle spielten, so begann man auch auf magnetischen Medien Daten zu speichern. Im Bereich der Buchungs- und Fakturiermaschinen wurden häufig Digitalkassetten eingesetzt. Sie haben das gleiche Format wie normale Audio-Kassetten aber oben eine Schreibschutzkerbe und weisen eine höhere mögliche Aufzeichnungsdichte auf. Später wurden sie auch an Robotersteuerungen, Bürocomputern, Datensammelsystemen und Betriebsdatenterminals eingesetzt. Audiokassetten als Datenspeicher blieben den Heimcomputern im Bastelkeller oder in Computerklubs vorbehalten.
In den 80er kristallisierte sich die Diskette als das Speichermedium im Bürocomputersektor heraus. Erst im sperrigen 8"- Format mit wenig Kapazität, später im 5¼"-Format doppelseitig. Die heutigen 3½"-Disketten waren nur rudimentär, meist mit einer Kapazität von 720KB an westlichen Import-Personalcomputern zu finden. Mitte der 80er tauchten in den Spitzenklasse- 16-bit Personalcomputern die ersten Festplatten auf. Oft handelte es sich um Importe aus dem Westen. Die Kapazität lag zwischen 5 und 50 MB, 5¼" Baugröße mit MFM-Interface.
Im Bereich der "größeren" Maschinen ist das klassische Wechselmedium das Magnetband. Es nimmt in seiner Rolle hier den Platz der Diskette bei den PCs ein. Magnetbänder wurden seit den 60ern an Minirechnern, Kleinrechner und Großrechnern eingesetzt. Teilweise wurde die Kopplung mit Bürocomputern als sogenannte Konvertierarbeitsplätze realisiert.
Große Fest- oder Wechselplattenspeichergeräte waren sehr teuer. Sie kamen meist von der Firma ISOTIMPEX aus Bulgarien und fanden neben ESER Großrechnern auch in unterschiedlichen Kleinrechnerreihen Einsatz. Aufgrund ihres Preises und der Tatsache, dass sie sehr anfällig gegenüber Witterungseinflüssen und Stößen sowie Schmutz waren, wurden sie selten außerhalb der Rechenstationen bewegt. Der nichtdrahtgebundene Datentransport zwischen den Rechnern erfolgt mit einem riesigen Berg Magnetbänder.
Das Bild der Magnetbandlandschaft in der DDR zur Wende 1989
Physisch existierten eine Vielzahl von Bandtypen. Aus den Anfangsjahren französische Importbänder mit durchsichtigen Verpackungen und einem Hebel in der Mitte, westdeutsche BASF-Bänder (die teilweise auf ORWO umgelabelt wurden), amerikanische Bänder und ORWO-Bänder aus der Magnetbandfabrik Dessau. Bei letzteren gab es unteranderem die weitverbreiteten Typen 430 und 390.
Die meisten Magnetbänder haben eine Länge von 360m (kleine Spule), 430m (große Spule), und 720m (auch große Spule). Aufgezeichnet wird mit 9 Spuren parallel (8 Daten Bit, 1 Kontroll-Bit) mit den Aufzeichnungsdichten:
Bit/mm | bpi |
---|---|
32 | 800 |
64 | 1600 |
250 | 6250 |
Damit reicht ihre unkomprimierte Kapazität von ca. 21 MB bis etwa 170 MB. Die hohen Aufzeichnungsdichten wurden wegen fehlender adäquater Technik fast nie eingesetzt. Im ESER-Umfeld wurde meist 1600 bpi gefahren und bei den Kleinrechnern (SKR) war es eine etwas ausgewogene Mischung aus 800 und 1600 bpi. Die hier eingesetzten Laufwerke vertrugen ohne Änderung der Hardware nur 800 bpi. Aufgezeichnet wird im 4-6-6-Code.
Die in der DDR benutzten Rechner waren in Systemklassen eingeteilt, die unterschiedliche Formate auf ihren Speichermedien nutzten. Es gab das System der Kleinrechner (SKR), in welches folgende Maschinen fallen:
Desweiteren existierten in großen Rechenstationen Großrechner des "Einheitlichen System der Rechentechnik im RGW" (ESER) - "richtige" Großrechner, die meist in einem eigens dafür errichteten Gebäude installiert waren. Auf ihnen wurden ESER-Formate gefahren, die teilweise mit denen der IBM 360/370 Mainframes kompatibel waren.
Auf dem Magnetband liegen hintereinander Dateien. Eine Datei besteht aus einer bestimmten Anzahl von Blöcken sowie Vor- und Nachblock. Das Band wird physisch durch reflektierende Bandmarken begrenzt (BOT,EOT) sowie durch elektronischeaufgezeichnete Bandmarken logisch strukturiert (ähnlich den Sektoren einer Platte).
Auch hier gibt es die reflektierenden und die magnetischen Bandmarken. Die auf dem Magnetband gespeicherte Dateien bestehen wieder aus Vor-, Daten- und Nachblock. Hier liegt aber je Datei nur ein Datenblock vor, dessen Größe im Vorblock beschrieben ist. Beim Lesen ohne das spezielle Programm ist dieses Format etwas unhandlicher.
Dieses Format erscheint sehr fortschrittlich und erleichtert dem Benutzer erheblich die Arbeit mit dem Speichermedium. Am Anfang des Bandes ist ein Bereich mit fester Länge reserviert worden, in welchem eine Indextabelle geschrieben steht. In dieser Tabelle stehen alle auf dem Band gespeicherten Blöcke samt ihrer Position und Zugehörigkeit. Wenn man etwas sucht, muss nicht das ganze Band durchlaufen werden sondern man schaut nur vorn in die Tabelle. Schreibt man etwas, wird die Tabelle an der entsprechenden Stelle geändert. Schlaue Leute nutzten diese Eigenschaft um Bänder vorgeblich zu löschen. Sie löschten aber nur die Indextabelle und im Hintergrund blieben die Daten erhalten - jetzt nur schwerer lesbar.
Es existierten Programme, um Abzüge von Indextabellen auf anderen Datenträgern als Datei zu speichern oder zu drucken. Außerdem gab es Programme, um ESER-Bänder zu SKR-Bändern und umgekehrt zu konvertieren. Dies war gerade dort wichtig, wo ein Betrieb mit einer SKR-Rechenstation ein Band zu einem ESER-Rechenzentrum geben wollte oder als Ergebnis ein ESER-Band zurückbekam. In vielen Rechenzentren gab es zwar auch Konvertierprogramme und -Geräte aber diese Einrichtungen waren meist zu stark ausgelastet, um die Kundenbänder konvertieren zu können.
Da wir in unserem Fundus ein paar Maschinen des ESER und des SKR haben, fingen wir natürlich auch an, nach passender Software zu suchen, da ohne diese die Technik nicht vorführbar ist. Neben einer kleinen Anzahl an Platten findet man solche Software nach bisherigen Erkenntnissen auf Magnetbändern. Dies war Grund genug, genau danach Ausschau zu halten. Von Zeit zu Zeit fanden sich einzelne Bänder, manchmal einige Stapel - u.a. Systemsoftware aus dem robotron Forschungszentrum Karl-Marx-Stadt. Im Rahmen der Demontage einer ESER-Rechenstation fanden sich allerdings auch ca. 10...15000 Magnetbänder auf einem Haufen. Der Begriff Haufen ist hier nicht metaphorisch gemeint - sie lagen in drei Räumen ca. 1,2m hoch aufgeschüttet.
Ein großes Magnetband wiegt 970g, wir standen also knapp 10t gegenüber. Sie alle mitzunehmen wäre nicht nur unmöglich sondern in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten, für uns uninteressante, Statistik-Daten der Landwirtschaft enthielten, sinnlos gewesen. Einige unbenutzte Bänder für die heimischen Rechenanlage wurden eingepackt.
Es dauert mehrere Tage, ehe wir sie in einer Art "Tagebau-Verfahren" "abgebaut" und sortiert hatten. Am Ende der Aktion zeigte sich sogar der Fußboden und wir konnten zwei Kofferraumladungen hochinteressanter Bänder vor dem baldigen Abriss retten. Während der Arbeit half uns ein Teil des ehemaligen Magnetband-Karteisystems, worauf wir aus den monoton durchnummerierten Bändern die, laut Karte interessanten, herausfischen konnten. Daneben galt die Aufmerksamkeit wichtigen Programmbändern, die dadurch auffindbar waren, dass sie im Klartext beschriftet waren oder die Kennung LS... statt LP (Datenbänder) trugen. An der Sohle des Magnetbandberges lagen mehrere in Plastiktüten eingepackte Magnetbänder, die im Gegensatz zu den lose verkippten in bedeutend besserem Zustand waren und welche vermutlich nicht aus diesem Betrieb stammen. Bisher forschen wir noch an ihrer Herkunft. Die Beschriftungen sind recht kryptisch, deuten aber auf ESER-Bänder hin. Sie sind meist mit MA sowie MP... und MS... durchnummeriert. Bestimmte Anzeichen könnten auf Berlin als ihren Ursprungsort deuten.
Nun lagen die Bänder gesäubert im Keller. Was machen wir jetzt
damit?
Die ESER-Anlage steht noch nicht - und wenn unser
Raumproblem nicht innerhalb des Januar 2007 gelöst wird, wird sie nie
wieder irgendwo aufgestellt werden. Die K1600 ist noch nicht wieder
vollständig montiert und auch die R4201 sieht aus Mangel an Platz
eher wie ein vollgestopfter Wandschrank aus. Neben der intensiven
Arbeit an der Wiederinbetriebnahme dieser Rechner, die teilweise
schon Früchte trägt, erinnerten wir uns eines anderen Weges,
Magnetbänder zu verarbeiten:
Aufgrund der hohen Datenübertragungsrate der Magnetbandlaufwerke ist ein direkter Anschluss an den Rechner nicht möglich - er würde nicht mit der Datenübernahme hinterher kommen.
Zum einen gab es die ESER Magnetbandgeräte CM 5002.03M. Diese Hochgeschwindigkeitslaufwerke mit Vakuumschächten und eigener Zentralschmieranlage sind in einem Schrank untergebracht (85x78x175 cm), wiegen 280 Kg, haben glücklicherweise Rollen und benötigen etwa 1,4 kW Drehstrom. Wir wollen sie in der Ausstellung fürs Museum wieder in Betrieb nehmen um sie den Interessierten zu zeigen aber für zuhause neben dem Schreibtisch sind die doch etwas unhandlich. Nächster Gedanke waren die 19"-Einschübe der Kleinrechner, die sich mit ihren 40-60 Kg durchaus Schreibtischfähig ausnahmen.
Im K1600-System ist der Controller die CM 5001. Die Laufwerke sind Standardgeräte unter MOOS, RTOS und MUTOS. Zur Konvertierung von SKR->ESER und umgekehrt gibt es die Programme KKMD und EKMD.
Der VEB robotron Buchungsmaschinenwerk stellte 1983 die AMB K5025 vor. Das ist ein kleines K1520-Rechnersystem, welches als Subsystem, ähnlich einem Controller, an einen K1520-Hostrechner (z.B. A5120 oder A5130) angeschlossen wird. Dieses System fand vorrangig in Konvertierungsarbeitsplätzen oder zur Aufwertung der Bürocomputer Einsatz. In Zeulenroda fanden wir in einem geplünderten A5130 den Kartensatz dieser Einheit, den ersten Teil des Manuals in Rothenburg, eine kurze Beschreibung der Benutzung in Greiz - ein Puzzlespiel hatte begonnen.
Die K5025 besteht aus 5 K1520-Karten, von der eine eine dem Hostrechner untergeordnete ZVE ist. Sie ermöglicht den Anschluss von bis zu zwei Magnetbandgeräten ISOT CM 5300.01 an einen K1520-Rechner. Fertige Softwareunterstützung existierte lange nur unter dem exotischen Betriebssystem SIOS, später aber auch für die CP/M-Clone SCP und CPA. Da das Laufwerk von sich aus nur 800 bpi verarbeiten kann, ist zum Lesen der 1600 bpi -Bänder ein Hardwareeingriff im Laufwerk und eine Softwareänderung notwendig. Wegen mangelnder Dokumentation der Software wird es wohl auf Seiten des Hostrechners auf neugeschriebene Steuersoftware hinauslaufen. Diese soll im ersten Schritt die gelesenen Daten nur in einer einfachen Datei speichern, die später entsprechend ihrer Bedeutung konvertiert wird.
Während der Einarbeitung in die technischen Details der Laufwerke CM 5300 und ihres Controllers CM 5001 stießen wir auf eine weitere Möglichkeit:
Die Magnetbandeinheit des R4201, die MBE 4000 (Schrank 2...400 Kg, zerlegbar) wird über ein SIF an den Rechner angeschlossen. Für die K1520-Rechner gibt es eine passende Interfacekarte (ADA K6020), allerdings keine Software. Sollte man mit der K 5025 nicht weiterkommen, wäre dies sicher ein lohnender Weg.
In SIOS ist die Unterstützung in einem 1KB großen Modul implementiert. Unterstützte Funktionen:
Dazu existieren Dienstprogramme für die Arbeit mit den Magnetbanddaten:
Programm | Beschreibung |
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dient dem Initialisieren und Labeln |
|
dient der Bildschirmausgabe, dem Druck oder dem Schreiben in eine Datei von Magnetbanddaten |
|
Formatkonverter (konvertiert MB-Formate untereinander und zu Diskette, Kassette) |
Alternativ könnte man auch versuchen, den Magnetbandcontroller mit einem schnellen Mikrorechner (z.B. ATmega16) zu emulieren. Es zeigte sich, dass die Steuersignale einfacherer Natur sind als bei einem Wechselplattenlaufwerk. Da wir diese Technologie aber noch nicht lange einsetzen, bleiben wir vorerst bei der K 5025, zu welcher sich mittlerweile sogar der ehem. Konstrukteur gefunden hat.
Im Depot stehen Laufwerke der MBE4000, die alten CM5300 sowie die K1600-Anlage mit den neueren. Eigentlich sollte eines der Ersatzlaufwerke der MBE4000 genutzt werden, damit die K1600 nicht zerlegt werden muss (eine andere Gruppe von uns arbeitet dort gerade an der vollständigen Inbetriebnahme), glücklicherweise fand sich aber noch ein einzelnes neues Laufwerk in einer verlassenen Rechenstation in Blankenburg (hier stand neben einigen Fakturiermaschinen früher eine R4201 und eine K1600 sowie diverse Bürocomputer, von welchen nur vereinzelte Scherben zeugten).